Am Freitagnachmittag, 21. Oktober 2016, veranstalteten das
Aktionsbündnis „Lebenswertes Esslingen“, getragen von
Esslinger Landwirten und Gärtnern, der
Initiative Attraktives Berkheim, der
Bürgerinitiative Rettet das Greut, dem
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem
Naturschutzbund Deutschland (NABU)
nach dem Vorläufer im Jahr 2015,
die zweite Traktor-Demonstration in Esslingen.
Das Motto lautete:
Esslingen wohin?
Neubaugebiete – Der Ausverkauf unserer Esslinger Kulturlandschaft!
Viele Landwirte mit mehreren Dutzend Schleppern und weiteren Fahrzeugen sammelten sich in Weil zu einem langen Demonstrationszug, der dann um 15 Uhr in Richtung Esslingen aufbrach und nach einer Schleife durch die Innenstadt kurz nach 16 Uhr unter großer öffentlicher Beachtung auf dem Esslinger Marktplatz einfuhr.
Dort fand anschließend, vor der erhabenen Kulisse der historischen Stadtgebäude, die Abschlusskundgebung statt. In drei Redebeiträgen ging es um den Erhalt der Stadt in ihrem ererbten Charakter, insbesondere um das Fortbestehen der u.a. wegen des fortschreitenden Rückgangs an Acker- und Wiesenflächen um ihre Existenz kämpfenden stadtnahen Landwirtschaft.
Am Rande der Abschlusskundgebung konnte man auch einige Produkte aus Esslinger Landwirtschaft verkosten – ein herzliches Dankeschön an die freundlichen Gastgeber!
Die vom Publikum immer wieder mit Applaus bedachte Hauptforderung der Redner war:
Der vom Esslinger Rathaus seit 1998 betriebene beschleunigte Ausverkauf bei den Freiflächen auf unserer Gemarkung muss endlich gestoppt werden! „Flächennutzungsplanung“ kann nicht immer nur heißen
„Neue Baugebiete“ – zulasten von Äckern, Wiesen, Sportflächen usw..
Dr. Thomas Diehl, Fachmann für Landwirtschaft und langjähriger Vorsitzender des Bürgerausschusses RSKN, wies in seiner Ansprache unter anderem sehr klar auf die Gesetzeslage hin. In § 1 (5) des Baugesetzbuches ist nämlich, anders als in vergangenen Jahren, mittlerweile verbindlich vorgegeben:
„Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.“
Dies ist die gesetzliche Vorgabe für ganz Deutschland! Wir Bürger müssen deshalb darauf bestehen, dass all dies auch in Esslingen wieder zur obersten Leitlinie für die Stadtverwaltung und den Gemeinderat wird – und nicht nur zur Ausschmückung in Wahlkampf- und Sonntagsreden Erwähnung findet.
Eine Demonstration mit genau diesem Appell hatte es auch bereits 2015 gegeben. Zu den sachlichen Hintergründen sehen Sie bitte auch www.lebenswertes-esslingen.de/wer-sind-wir/gemüseanbauer/ und www.lebenswertes-esslingen.de/home/ernährung/.
Außerdem organisierte das o.g. Aktionsbündnis im Juni 2016 eine große Vortragsveranstaltung zum selben Thema – „Verlust an Ackerland und anderen landwirtschaftlichen Flächen und die Folgen“ (hier ein Kurzbericht dazu).
Hier nachfolgend einige Bilder von der Traktor-Demo am 21. Oktober 2016 (durch Klick auf das jeweilige Bild kommen Sie zu einer größeren Darstellung, mit dem Zurück-Button Ihres Web-Browsers anschließend wieder zurück auf diese Seite!):
- Einfahrt des Demonstrationszuges auf dem Esslinger Marktplatz mit klarer Ansage: Stoppt den Flächenfraß!
- Ausgemostet – stoppt diese Baupolitik!
- Was ist mit den Arbeitsplätzen in der Esslinger Landwirtschaft? Gelten die gar nichts mehr?
- Bebautes Ackerland ist für immer verloren!
- Wenn die Baugebiete winken, die Euro-Zeichen in den Augen blinken!
- Dicht an dicht stehen die Traktoren der Gärtner und Landwirte vor der Kulisse der Esslinger Stadtkirche
- Das dritte Traktor-Plakat von links kommentiert die „Milchmädchenrechnung“ der Rathausoberen zu den durch Wachstum erhofften zusätzlichen Mittelzuweisungen – 1000 € pro Einwohner? Und keine Ausgaben ?!
- Die Rednertribüne auf dem Marktplatz – rechts das grau verhüllte Rathaus. Hört man dort überhaupt noch die Anliegen der Bürgerschaft, oder nur noch die der Bauinvestoren?
- Moderatorin Barbara Duve kündigt Dr. Thomas Diehl, Agrarfachmann und langjähriger Vorsitzender des Bürgerausschusses RSKN, als ersten Redner an.
- Dr. Thomas Diehl spricht in seiner bekannten, anschaulichen Art u.a. über Kaltluftentstehung, Kaltluftabfluss und die Verdünnung der Schadstoffsuppe in der Innenstadt. Aber das alles funktioniert im Neckartal rund um Esslingen immer weniger …. weil man hier die dafür erforderlichen Freiflächen in Etappen ständig weiter zubaut! (… Und die ersatzweise manchmal vorgeschriebenen Garagendachbegrünungen sind genau dann wirkungslos, wenn man sie am dringendsten braucht: im trockenen Hochsommer!)
- Außerdem weist Dr. Thomas Diehl auf die bedrückenden Folgen des ständig fortschreitenden Verlustes an landwirtschaftlichen Flächen hin, für die Bauern – und für die Lebensmittelversorgung von uns allen, für die Landschaftspflege usw.. Speziell Esslingen ist diesbezüglich in einer sehr zugespitzten Lage: der Überbauungsgrad liegt hier mit 42 % schon heute drei Mal so hoch wie der Landesdurchschnitt. Aber der kommende Flächennutzungsplan soll nach dem Willen des Rathauses noch einmal eine Vielzahl weiterer Baugebiete ermöglichen.
- Matthias Strobl, Vertreter des BUND, beschreibt die Leitlinien für eine nachhaltige Stadtentwicklung – als Gegenvorschlag zur heutigen Politik von fortwährendem Wachstum und Verdichtung. Die Tragödie: Während auf Bundes- und Landesebene alle etablierten politischen Parteien längst eine Beendigung des Flächenverbrauchs fordern, setzen die Verantwortlichen in Kommunen wie Esslingen unverdrossen die Wachstumspolitik der 60er-Jahre fort, in einem blinden und selbstzerstörerischen Wettlauf untereinander.
- Ulrich Röhrle von BIO Oberesslingen (Bürgerinitiative Streuobstwiesen Oberesslingen) stellt noch einmal heraus: Eine weitergehende Verbauung der Esslinger Freiflächen beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität aller Esslinger Bürger in vielfältiger Weise, sondern gefährdet auch die Funktionsfähigkeit dieses Lebensraumes! Luftqualität, Gesundheit und die sichere Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln sind dabei nur einige der Problemstellen.
- … was wir laut dem Esslinger Rathaus opfern sollen – und welche „Segnungen“ die Bürgerschaft voraussichtlich dafür erhalten wird ….
- Von Jahr zu Jahr immer mehr – Scheibchen für Scheibchen: Asphalt und Beton statt Getreide und Gemüse – wie lange kann und soll das noch fortgesetzt werden?!
- Nach der gegenwärtigen Rathauspolitik sollen auch die Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten im nahen Umland zuliebe von weiterem Wachstum und Verdichtung immer weiter eingeschränkt werden.
- Nahrungsmittel gibts doch im Supermarkt – also nur munter weiter mit der Überbauung unserer fruchtbarsten Böden (… sagen jedenfalls die Immobilieninvestoren, die hier im Ballungsraum auch weiterhin ihre Millionengeschäfte machen wollen, und ihre Fürsprecher im Rathaus).
- Wissen denn nur noch die Bauernfamilien den eigentlichen Wert eines Ackers und einer Baumwiese zu schätzen? Für die Haushaltsstrategen, Grundstückshändler und Baumanager im Esslinger Rathaus steht hingegen der Verkaufswert im Vordergrund.
- Laut dem Esslinger Rathaus kann man für Einkommensschwache und Flüchtlinge nur ausreichend Wohnraum schaffen, indem man hier die Landschaftsschutzgebiete, Grünzäsuren, Frischluftschneisen, Sportplätze usw. nach und nach vollends opfert. Gleichzeitig bluten, nicht weit entfernt, ganze Regionen aus, Häuser und Infrastruktur verfallen. Was für eine politische Bankrotterklärung, was für eine brutale Missachtung des Nachhaltigkeitsgebotes!
- Wir Menschen bezahlen für den unvernünftigen Umgang mit unseren Lebensgrundlagen einen ständig wachsenden Preis – aber man erzählt uns, „aus wirtschaftlichen und demographischen Gründen“ gehe es leider nicht anders … Wachstum und Verdichtung müssten ewig weitergehen … (bis zum Kollaps?!) …
- Die Esslinger Gärtner und Landwirte halten den Wachstumsideologien, die sie und uns alle bedrohen, einfache, bodenständige Dinge entgegen: den Teilnehmern der Kundgebung bieten sie freundlich Äpfel, Birnen, Gemüsekuchen, Brote, Säfte und vieles mehr an, (derzeit noch!) aus hiesiger Produktion. Und „Gott sei Dank“ steht uns Esslingern dieses ganze Angebot auch an jedem einzelnen Markttag zur Verfügung – aber wie lange noch, wenn der Ausverkauf der Kulturlandschaft so weitergeht wie in den letzten Jahren?